Männer, die die Welt verbrennen

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Bücher über den Klimawandel gibt es viele, auch viele gute. Doch „Männer, die die Welt verbrennen“ ist mehr: Es liest sich fast wie ein Krimi. Schon im ersten Satz des Buches warnt Christian Stöcker: Vieles, was in dem Buch zu lesen ist, werde klingen wie eine Verschwörungstheorie – doch im Gegensatz zu den üblichen solchen Theorien geht es in diesem Buch um klar belegbare Fakten. Mehr als 700 Anmerkungen und Quellenangaben finden sich am Ende.

Doch Stöcker schränkt ein:

Es handelt sich trotzdem nicht um eine globale Verschwörung im engeren Sinne, jedenfalls nicht so, wie solche Dinge in Verschwörungstheorien meist dargestellt werden: mit konspirativen Treffen eines innersten Kreises, der hinter den Kulissen die Geschicke der Welt lenkt. Es ist eher ein Netzwerk aus real existierenden Verschwörungen, die durch gemeinsame Interessen und Ziele verbunden sind. Diese Interessen und Ziele stehen im Widerspruch zum gesicherten, gesunden Fortbestand der menschlichen Zivilisation.

Die meisten, die an diesem Netzwerk beteiligt sind, sind Männer. Daher der Titel dieses Buches, der dem einen oder der anderen polemisch vorkommen mag. Dabei ist auch der Titel keine Polemik, sondern eine nüchterne Tatsachenbeschreibung: Es gibt auf der Welt Männer, sogar ziemlich viele, die bereit sind, ihrem aktuellen Profit, ihrer persönlichen Macht die Zukunft der gesamten Menschheit unterzuordnen. Und sie sind bis heute sehr erfolgreich bei ihrem fatalen Tun.

Um dieses fatale Tun der Männer, die im wahrsten Sinn des Wortes die Welt verbrennen, geht es in diesem fundierten Buch, das selbst für mich, der ich die meisten Punkte schon mal gehört hatte, erschreckend in seiner Präzision war.

Es geht dabei um sehr viel Geld:

Allein die fünf größten börsennotierten Erdölproduzenten der Welt, die Unternehmen ExxonMobil (USA), Shell (früher Niederlande, seit 2022 Großbritannien), Chevron (USA), Total (Frankreich) und BP (Großbritannien), machten im Jahr 2022, trotz Coronapandemie, zusammen 200 Milliarden Dollar Gewinn – nicht Umsatz!

Und das ist nur ein Teil dessen, was mit fossilen Energien verdient wird. Ganze Nationalstaaten hängen vom Öl ab. Die meisten davon sind Diktaturen oder Autokratien. Dass sie damit die Zukunft der gesamten Menschheit gefährden, ist ihnen sehr wohl bewusst. Doch sie verdrängen es um des kurzfristigen Gewinns und tun alles dafür, Zweifel zu säen, Erneuerbare auszubremsen, die eigene Machtbasis zu stärken. Geld spielt dabei kaum eine Rolle, davon ist mehr als genug vorhanden.

Es ist längst klar belegt, wie insbesondere die Öl- und Gasbranche, aber auch deutsche Kohlekonzerne wie RWE und LEAG den öffentlichen Diskurs massiv manipulierten, um ihre Geschäfte weiter ungestört betreiben zu können. Sie lügen, betrügen, verschleiern – seit Jahrzehnten. Die Welt weiß längst, dass CO₂-Emissionen die Atmosphäre aufheizen, doch insbesondere US-Konzerne finanzierten mit Hunderten von Millionen, wenn nicht Milliarden Dollar über viele Jahre eine oft sehr aggressive Kampagne, um diese Tatsache zu verschleiern. Sie ließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attackieren, drängten Politiker aus dem Amt, etablierten das Narrativ, dass es sich bei friedlichem Klimaprotest um »Terror« handele, verheimlichten Daten, simulierten breite Unterstützung, kauften Studien und vermeintlich unabhängige Fürsprecher. Dass sie damit inzwischen aufgehört hätten, ist ein Irrtum – lediglich die Strategien haben sie geändert. Bis heute ist in Sachen Klima-, Antriebs- und Energietechnik eine bemerkenswerte Menge an Desinformation im Umlauf. Und es ist klar, wem diese Desinformation nützt.

(...)

Es ist ein simpler Taschenspielertrick: Man gaukelt dem Publikum vor, seine Freiheit, seine Souveränität, seine Lebensweise, seine Ideale seien von etwas in Wahrheit Harmlosem bedroht, während die wahre, reale, physische Bedrohung konsequent ausgeblendet, ignoriert, verharmlost wird.

Jahrzehntelang hat das gut funktioniert, obwohl ja beispielsweise Exxon schon Anfang der 70er Jahre nachweislich sehr genau wusste, wohin ihre Unternehmensstrategie führen würde: Zur Klimaerhitzung, in eine Welt, in der das Überleben der Menschheit unsicher wird. Statt sich nach neuen Wegen umzusehen, entschieden sie sich dafür, das eigene lukrative Geschäftsmodell mit Desinformation und Lügen zu stützen und die zu diskreditieren, die sich für eine Welt ohne fossile Energien einsetzen.

Stöcker zeigt auf, wie groß unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von fossilen Produkten heute ist. Er nennt die größten Unternehmen und Player beim Namen – darunter beispielsweise Blackrock, Saudi-Arabien, die indische Regierung, aber auch die Zentralbank Norwegens.

Mit der Überschrift des dritten Kapitels bringt Stöcker das größte Problem der Welt auf den Punkt: „Die Industrie hängt am Zeugverbrennen“. Und statt umzuschwenken auf neue Technologien, werden dann halt lieber so völlig ineffiziente Technologien gepusht wie E-Fuels – die in manchen Bereichen sicher nötig sein werden, etwa im Luftverkehr, aber beim PKW dem batteriebetriebenen Fahrzeug einfach hoffnungslos unterlegen sind und das aus physikalischen Gründen auch immer bleiben werden. Also letzten Endes auch wieder ein Ablenkungsmanöver.

Dazu kommen dann millionenschwere PR-Kampagnen, die beispielsweise Unsicherheit in Bezug auf Wärmepumpen erzeugen sollen und das auch schaffen. (Wärmepumpen sind ineffizient, gehen nur in Neubauten, benötigen zwingend Fußbodenheizungen und sind laut? Alles vorsätzlich gelogen oder mindestens die Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.)

Auch das individuelle Auto ist natürlich Teil dieses Marketings. Dass Autos immer größer und schwerer werden, der Trend zu SUVs – alles das erklärt Stöcker aus den geradezu irrsinnigen Profiten, die die Fossilindustrie damit machen konnte und kann.

Ab dem vierten Kapitel geht das Buch detaillierter auf die Verflechtungen und die Methoden der Klimawandelleugnung ein. Eine wichtige Rolle spielt dabei die „Global Climate Coalition“ (GCC), ein bewusst irreführender Name.

Die GCC spielte sowohl in den USA als auch international eine wichtige Rolle dabei, Klimaschutz zu behindern.

Die GCC verwendete die „bewährten“ Techniken, die schon die Tabakindustrie angewendet hatte:

Sie setzten Methoden ein, die bis heute in Gebrauch sind: persönliche Angriffe auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Manipulation von Forschungsberichten, Einflussnahme über Gastbeiträge in Publikumsmedien, Tatsachenumkehr und vor allem: Zweifel säen, wo schon längst wissenschaftliche Klarheit herrscht.

Zentraler Mann hinter all dem: Charles Koch, „einer der reichsten Männer der USA und vermutlich einer der größten Finanziers organisierter Klimawandelleugnung in der Geschichte der Menschheit.“ Sein Klimaleugner-Netzwerk zieht nicht nur in den USA, aber besonders dort, weite Kreise – hinein in die republikanische Partei und natürlich zu Donald Trump und bis hin zum Supreme Court.

Sehr detailliert zeichnet Stöcker in diesem Kapitel die Einflussnahme von „Big Oil“ auf die Politik der USA nach. Er kommt zu dem Schluss:

Um noch einmal auf den Beginn dieses Buches zurückzukommen: Wenn sich all das ein bisschen nach Verschwörungserzählung anhört, dann liegt das daran, dass es sich in diesem Fall um eine reale Verschwörung handelt. Und zwar eine mit einem sehr langen Atem, sehr viel Geld, konkreten Zielen, einem Plan zu ihrer Verwirklichung – und einem Spiritus Rector: »Die effektivste Quelle für Klimawandelleugnung war ein einzelner, entschlossener Libertärer, der glaubte, er schaffe eine bessere Welt«, schrieb The Daily Beast 2022 über Charles Koch.

Warum zeigen diese Techniken insbesondere bei Männern so viel Wirkung? Unter der Überschrift „Stammesidentität und Petro-Maskulinität“ versucht Stöcker eine – durchaus überzeugende – Deutung dieses Phänomens. Ein sehr lesenswertes Kapitel, das manches Verhalten verständlich macht.

Den größten Unterschied – 55 Prozentpunkte – macht aber die politische Ausrichtung aus. Die Republikaner und ihre Spender haben ihre Wählerschaft in eine Parallelrealität hineingelogen. Es gibt einen sehr ausgeprägten Zusammenhang zwischen rechtsgerichteten politischen Überzeugungen und Klimawandelleugnung, -skepsis und -ignoranz. Diesen Umstand instrumentalisieren die Fossilbranchen in den USA längst, um Front gegen erneuerbare Energien zu machen. »Wie der Wind woke wurde«, überschrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman eine Kolumne zum Thema in der New York Times.

Doch ich möchte hier nicht das ganze Buch zitieren. Es geht nach dem ausführlichen Kapitel über die USA weiter mit der aggressiven Desinformationspolitik Russlands und Wladimir Putins, der in Frankreich „seine eigene Präsidentschaftskandidatin“ hat und – wie sich mittlerweile immer deutlicher zeigt – auch in Deutschland nicht nur bei der afd seine Finger im Spiel hat.

Weiter geht’s mit Rupert Murdoch, der mit Putin befreundet ist, eigene Anteile an Ölkonzernen hat und – natürlich – Sender und Zeitungen wie Fox News betreibt, die in diesem Spiel kräftig mitmischen. Auch in seiner australischen Heimat sorgt er dafür, dass trotz der verheerenden Waldbrände immer noch fossile Brennstoffe eine wichtige Rolle spielen.

Nach den internationalen Verflechtungen zwischen den USA, Russland, Großbritannien und Australien widmet sich Stöcker Deutschland. Ein Beispiel für die Verflechtung mit der Politik:

Ein in mehrfacher Hinsicht symptomatisches und auch politikwirksames Beispiel ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Er war federführend und erfolgreich bei dem Vorstoß, das 2023 geplante Gebäudeenergiegesetz so zu entkernen, dass es für die Gasbranche erst viel später Einbußen verursacht. (...)

Am Ende stimmten die Liberalen fast einstimmig für diesen Antrag, und die FDP kündigte die im Koalitionsausschuss getroffene Vereinbarung zum sogenannten Gebäudeenergiegesetz wieder auf. Schäffler hatte das unausweichliche Ende der Gasheizung in Deutschland erfolgreich hinausgeschoben.

Teile der FDP, natürlich die afd, aber auch das – mit dem Koch-Netzwerk verbundene – Klimaleugner-“Institut“ EIKE – sind in Deutschland sehr aktiv und erfolgreich im Verbreiten von Zweifel und Unsicherheit.

Trotz allen Verflechtungen und der großen Macht der fossilen Industrien bleibt Stöcker voller Hoffnung. Schon in den einzelnen Abschnitten wies er gelegentlich auf Gegenbewegungen und Erfolge hin.

Sein letztes Kapitel aber ist so etwas wie ein „Happy End“, wie er es selbst in einem Interview nannte. Das letzte Kapitel lautet: Das Zeitalter des Lichts hat begonnen, das des Feuers muss enden.

Dieses Kapitel ist voller Hinweise darauf, wo selbst in konservativen Gegenden – etwa im republikanischen Texas – erneuerbare Energien wachsen, einfach, weil sie sich rechnen. Es ist voller Hoffnung, dass es noch gelingen kann. Doch dafür müssen wir auch etwas tun: Wir müssen die Männer, die die Welt verbrennen, in ihre Schranken weisen.

Fazit

Christian Stöcker hat für mich eines der wichtigsten Bücher zum Thema Klimawandel geschrieben, das ich kenne. Es zeigt mit großer Klarheit die weltweiten Verflechtungen des großen Geldes. Aber es zeigt auch, wie wir es schaffen können, diese fossilen Verstrickungen, die absichtlichen Falschinformationen, die Lügen und Verzerrungen zu identifizieren und dann zu überwinden. Wir müssen aufhören, Zeug zu verbrennen. Und wir können es schaffen.

Kuschelpunkte

Buchinformationen

Stöcker, Christian Prof. Dr.: Männer, die die Welt verbrennen: Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit | Profiteure der fossilen Brennstoffe versus erneuerbare Energien im Zeichen der Klimakatastrophe. Ullstein Hardcover, 336 Seiten, ISBN 978-3-5502-0282-7, 22,99 €. E-Book 18,99 €